Über zwei Drittel aller technischen Innovationen gehen direkt oder indirekt auf neue Materialien zurück. Der Materialwissenschaft kommt daher aufgrund stetig höher werdender Anforderungen an die einzusetzenden Materialien eine Schlüsselrolle zu, um den steigenden Ansprüchen und Funktionen kommerziell verfügbarer Produkte in der Industrie gerecht werden zu können.
In vielen industriellen Bereichen und bei der Produktion von Konsumgütern bewegt man sich immer weiter weg von unspezifisch einsetzbaren hin zu individuellen, an spezielle Anwendungen angepassten Lösungen. Diese Entwicklung wirkt sich unmittelbar auf die Art und Komplexität der Materialien und dementsprechend auch auf den Prozess der Materialentwicklung aus. Neben den Standard-Materialeigenschaften stehen heute auf Laborebene bereits viele weitere Möglichkeiten zur Verfügung, um Einfluss auf das Materialverhalten zu nehmen. Mit steigender Komplexität der Materialien wachsen auch die Anforderungen an Charakterisierungsmethoden, um diese zu beschreiben und deren industriellen Einsatz zu ermöglichen.
Fraunhofer IZFP-Forschungszentrum »MatBeyoNDT«
Am Fraunhofer IZFP werden die bekannten zerstörungsfreien Prüfverfahren auf die Veränderungen im Umfeld industrieller Prozesse vorbereitet. Dies geschieht zum einen durch eine ganzheitliche Betrachtung des Lebenszyklus eines Produktes und der Rolle, die zerstörungsfreie Verfahren darin spielen. Dabei werden alle Daten, die Prozesse und Zustände rund um das betrachtete Produkt als Informationsträger aufgefasst und genutzt. Des Weiteren stellt diese Betrachtungsweise neue Anforderungen an die Datenverarbeitung und an das Verständnis der Wechselwirkungsmechanismen der zerstörungsfreien Prüfverfahren mit dem Produkt und seiner Umwelt.
Um die Komplexität der Materialinnovationen abbilden zu können, müssen sich auch die Methoden für deren Charakterisierung weiterentwickeln. Um die Materialien zu verstehen, kann nicht nur ein einzelnes, sondern muss eine Kombination mehrerer Prüfverfahren zum Einsatz kommen, die zusammen mit fortgeschrittenen computerbasierten Methoden zur Datenverarbeitung Aufschluss über komplexe Materialien geben oder zur Entwicklung neuer Sensormaterialien führen.
MatBeyoNDT begleitet von ersten Laboruntersuchungen bis zur großindustriellen Qualitätssicherung die Entwicklung der zukünftigen Materialinnovationen. Auf diese Weise werden Bedürfnisse an Prüfmethoden ermittelt und so weiterentwickelt, dass sie als industrietaugliche Prüfsysteme vermarktet werden können. Dies trägt dazu bei, dass komplexere Materialien wie programmierbare Werkstoffe vermehrt in der Industrie zum Einsatz kommen können.
Während die Gruppe MatBeyoNDT sehr breit aufgestellt ist und mit der Methodenentwicklung eine Vielzahl von interessanten Projekten im Bereich der Materialien mit 3D-Architektur anstrebt, werden zwei globale Themen die Gruppe in den nächsten Jahren besonders prägen: Additive Fertigungsverfahren dominieren die Art und Weise, wie 3D-strukturierte Materialien hergestellt werden und die Digitalisierung in der Materialwissenschaft wird bestimmen, wie in Zukunft mit Daten, die Materialien und Prozesse beschreiben, umgegangen wird.
Fraunhofer-Förderprogramm »Attract« – Von der Idee zur Innovation
Die Forschungsgruppe MatBeyoNDT wird von der Fraunhofer-Gesellschaft innerhalb des Fraunhofer-Programm »Attract« gefördert. Dieses Programm bietet hervorragenden externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Ideen innerhalb eines optimal ausgestatteten Fraunhofer-Instituts marktnah in Richtung Anwendung voranzutreiben. Der Wissenschaftlerin oder dem Wissenschaftler steht über 5 Jahre ein Budget von max. 2,5 Millionen Euro zur Verfügung, um eine Gruppe aufzubauen und zu leiten. Ziel ist es, das jeweilige Forschungsthema auf Grundlage der persönlichen Expertise auch über die Förderdauer hinweg zu verstetigen und damit zur Zukunftsstrategie des entsprechenden Instituts beizutragen.