VISiMOS – Visualisierung von Eigenschaften und Fehlern in Stahlbauteilen mittels intelligenter magnetooptischer Sensorik

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Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt »VISiMOS« mit 1,03 Mio. €
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Stahlbauteile werden in verschiedenen Anwendungsbereichen, wie im Automobil- oder Bahnwesen, eingesetzt und erfüllen häufig sicherheitskritische Aspekte. Vorteilhaft eingestellte Eigenspannungszustände und mechanische-technologische Materialeigenschaften wie Härte und Festigkeit sowie die Freiheit von Fehlern wie fertigungs- oder betriebsbedingten Rissen sind unverzichtbare Kriterien der industriellen Qualitätssicherung und Zustandsbewertung von Stahlbauteilen. Zerstörende Prüfungen sind hier jedoch nur stichprobenartig einsetzbar. Das zerstörungsfreie Bestimmen qualitätsrelevanter mechanisch-technologischer Material- und Produkteigenschaften dient daher nicht nur der Wirtschaftlichkeit und Ressourceneffizienz, sondern auch der Sicherheit durch Ermöglichung der Qualitätssicherung der Gesamtheit der Erzeugnisse und wiederkehrenden Zustandsüberwachung.

Die mikromagnetische Materialcharakterisierung befasst sich dahingehend mit der zerstörungsfreien Bestimmung von Materialeigenschaften und Spannungszuständen ferromagnetischer Stähle und Gusseisen. Die Funktionsweise mikromagnetischer Techniken beruht darauf, dass die Mikrostruktur und deren Spannungszustände einem ferromagnetischen Werkstoff einerseits seine mechanischen Eigenschaften verleiht, und zum anderen maßgeblich dessen Magnetisierungsverhalten beeinflusst. Das am Fraunhofer IZFP entwickelte 3MA-Verfahren (Mikromagnetische Multiparameter- Mikrostruktur und Spannungs-Analyse) nutzt dahingehend verschiedene Wechselwirkungsmechanismen, um von zerstörungsfrei messbaren mikromagnetischen Kenngrößen auf mechanisch-technologische Materialeigenschaften zu schließen und beweist seine Leistungsfähigkeit bereits industriell in größerem Umfang. Neben mikromagnetischen Wechselwirkungsmechanismen offenbaren auch magnetische Streuflussverteilungen magnetisierter Materialoberflächen qualitätsrelevante Merkmale, indem sich lokal erhöhte magnetische Flussdichten an oberflächennahen Unregelmäßigkeiten wie Rissen oder Einschlüssen von Luft oder Schlacke bilden. Die sogenannte Magnetpulverprüfung beruht auf diesem Phänomen und ist industriell weit verbreitet, besitzt aber ressourcen- und prozessbezogene Nachteile. Mit der zunehmenden Digitalisierung der Industrieprozesse ist die sensorbasierte Streuflusstechnik für die Qualitätssicherung und Zustandsbewertung interessant.

In beiden Fällen – Mikromagnetik und Streuflusstechnik – ist eine ortsauflösende Abbildung bzw. Untersuchung von Flächen von großem Interesse. Während die sondengestützte Streuflussprüfung prinzipbedingt die Kenntnis der lokalen Verteilung magnetischer Streufelder in bildgebender Form erfordert, ist dies in der Mikromagnetik keine Grundvoraussetzung und bisher nur kostenintensiv umsetzbar. Die Anzahl von Fertigungs- und Beanspruchungsprozessen, die lokal definiert inhomogene Eigenschaftsverteilungen erzielen, steigt (z. B. Laserhärten, induktives Härten). Hinzu kommen Prozesse, die im Fehlerfall lokale Anomalien erzeugen können. Die entsprechende Qualitätssicherung erfordert im Grund die Untersuchung vieler diskreter Positionen bis hin zur flächigen Bildgebung. Um sowohl mit sondengestützten Streuflusstechniken als auch mit mikromagnetischen Prüfverfahren eine Ortsauflösung zu erreichen, müssen ferromagnetische Bauteiloberflächen durch entsprechende Sensoren mithilfe von Manipulatorsystemen punktweise (gerastert) vermessen werden. In der Praxis ist von Nachteil, dass die Geschwindigkeit solcher Systeme bei steigendem lateralen Auflösungsvermögen durch die Anzahl der Stützstellen bei gleichermaßen steigender Positioniergenauigkeit des Manipulatorsystems durchaus im Bereich mehrerer Stunden liegt und dadurch nicht als inlinefähig für eine 100 Prozent Qualitätssicherung gelten können. Durch die Nutzung von Sensorarrays (Zeilen, Matrizen) ist eine Beschleunigung möglich; Abmessungen und Kosten der Array-Elemente schränken die Wirtschaftlichkeit, gerade im Fall der Mikromagnetik, aber erheblich ein.

Der im Projekt »VISiMOS« zu validierende Ansatz soll eine detaillierte bildgebende und zerstörungsfreie Prüfung von Materialeigenschaften sowie Rissfreiheit in wenigen Sekunden ermöglichen.

Im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten wissenschaftlichen Vorprojekts (WiVoPro, Projekt »BiWa-MOS«, FKZ:13N15251) wurde bereits untersucht, ob magnetooptische Bildwandler sowohl eine schnelle als auch hoch ortsauflösende und bildgebende Materialcharakterisierung ermöglichen können und zudem die Möglichkeit bieten, Risse zu detektieren. Hierfür kam ein magnetooptischer Sensor auf Basis des Faraday Effekts zum Einsatz. Eine Digitalkamera im Sensor erfasst die örtliche Verteilung der Normalkomponente der magnetischen Feldstärkeverteilung an der Oberfläche des magnetooptischen Wandlers. Während des Projekts wurde eine messtechnische Methodik erarbeitet, diese beruht auf der Erfassung und Analyse magnetooptischer Bilddaten während der zyklischen Ummagnetisierung der Untersuchungsobjekte. Dabei konnten zum einen mikromagnetische Merkmale zur Charakterisierung mechanisch technologischer Materialeigenschaften durch Analysetechniken nach dem Vorbild des 3MA-Verfahrens extrahiert und in Form von Bildern ausgegeben werden. Daneben wurden Verfahren der Signal- und Bildverarbeitung angewendet, um zusätzlich die Möglichkeit einer Streuflussprüfung zur hochortsaufgelösten Rissdetektion zu erreichen. Beide Aspekte konnten erfolgreich demonstriert werden.

Die im Projekt »VISiMOS« angestrebte (zu validierende) Innovation ist ein magnetooptischer Sensor, der in unterschiedlichen Betriebsarten quantifizierte Bilder der lokalen Verteilung von Eigenspannungen quasi in Echtzeit liefert und zudem Risse detektiert. Damit werden Bedarfe der industriellen Qualitätssicherung und Zustandsbewertung von Bauteilen und Komponenten aus ferromagnetischem Stahl adressiert. Das angestrebte Sensorsystem soll durch die Verwendung einer Hochgeschwindigkeitskamera eine konkurrenzlose Geschwindigkeit und Ortsauflösung zur mikromagnetischen Materialcharakterisierung und Zustandsbewertung bieten. Die Methodik hierfür soll im Vorhaben bezüglich Geschwindigkeit und Genauigkeit für die Prüfung von Radsatzwellen im Bahnwesen weiterentwickelt und für die industrielle Einsatztauglichkeit validiert werden.

VISiMOS Eckdaten

Einzelvorhaben
Fördergeber: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (VIP+)
Förderkennzeichen: 03VP10900
Laufzeit: 03/2023 bis 02/2026
Fördersumme: 1,03 Mio. €